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Die Islamische Republik, der Imperialismus und das endlose Schlachthaus des Nahen Ostens

Israel ist kein Staat; es ist ein imperialistischer Besatzungsposten an der Grenze zu einer Region namens „Naher Osten“. Es ist ein Artefakt kolonialer Krisen, das seit dem frühen 20. Jahrhundert wie ein Dolch ins Herz der arabischen und anderer Völker der Region gestoßen wurde und jede Möglichkeit für Einheit, Befreiung und soziale Gerechtigkeit sterilisiert. Es ist ein Verbrechensapparat, der grundlegend auf einer rassistischen und faschistischen Ideologie beruht und nach über sieben Jahrzehnten der Massaker und Enteignung der Palästinenser*innen nun seit Monaten ungehemmt und ein Projekt des Genozids und der Auslöschung dieses unterdrückten und widerständigen Volkes vollstreckt. Diese Garnison ist der verlängerte bewaffnete Arm des globalen Kapitalismus und insbesondere des amerikanischen Imperialismus, der alle militärischen, geheimdienstlichen und technologischen Mittel nutzt, um Souveränität zu zerschlagen und eine ständige Bedrohung für die Bevölkerungen darzustellen.

Der Angriff Israels auf iranischen Boden ist kein Akt der Verteidigung, sondern der Aggression – keine punktuellen Schläge, sondern der Versuch, das Rückgrat jedes unabhängigen Widerstands in der Region zu brechen. Israels militärische Invasion richtet sich nicht allein gegen die Islamische Republik und deren reaktionären Charakter – ein Regime, das sich seit seiner Gründung dem globalen Kapital vollständig unterworfen und einen inneren Klassenkrieg gegen die arbeitende Bevölkerung geführt hat, jedoch selbst aus Sicht der herrschenden Klasse seine strukturellen Widersprüche in der internationalen Politik nicht lösen konnte und heute am äußersten Rand dieser existenziellen Widersprüche steht. Israels militärische Aggression zielt nicht nur auf den Sturz dieses Regimes ab, sondern darauf, diese strukturellen Widersprüche endgültig aufzulösen und zukünftigen Generationen zu demonstrieren, dass in dieser Region keine Alternative entstehen kann, ohne sich der israelischen Vormacht zu unterwerfen. Das ist selbst eine Konterrevolution!

Aus dieser Perspektive heraus bedeutet die Niederlage der Islamischen Republik durch Israel und die militärische und politische Dominanz über Iran explizit die Sterilisierung jeglicher realer Möglichkeit kollektiven politischen Daseins sowie die Vernichtung jeder Zukunftsvision jenseits der Islamischen Republik bedeuten. In einem solchen Szenario müsste die Kapitulation der herrschenden Klasse vor dem globalen Kapital – die ohnehin bereits stattfindet – ohne jeden strukturellen Widerspruch zur hegemonialen internationalen Ordnung erfolgen, mit der vollständigen Anerkennung Israels als regionaler Ordnungsmacht. Heute führt in Teheran und im ganzen Iran möglicherweise bereits eine Legion Krieg für Israel: von Drohnennavigation über Autobomben, von der Weitergabe von Koordinaten an Kampfjets bis zu bewaffneten Attentaten. Solche Vorbereitungen geschehen nur ein einziges Mal – und diejenigen, die darin investieren, erwarten maximale Rendite: ein neues Syrien-Szenario, ein Regimewechsel, bei dem Befehle widerspruchslos ausgeführt werden.

Jedoch stellt das reaktionäre Wesen der Islamischen Republik keine Alternative zum globalen Kapitalismus dar, sondern ist Teil davon, das zeitweise im Rahmen regionaler und internationaler Spannungen gegen das hegemoniale System rebelliert.

Dennoch hat sie ihre historischen Klassenaufgaben für dieses System vollständig erfüllt: die physische und diskursive Zerstörung der revolutionären Linken, die Schwächung des Klassenkampfs und der Organisierung der Arbeiter*innenklasse, die Vernichtung der Gesellschaft und ihre Transformation in ein Fließband für rechte, rassistische, monarchistische und diverse antisozial-neoliberale Eigenschaften.

Eine solche Gesellschaft ist ein Nährboden für Konterrevolution, für Komprador*innen-Kapitalismus, ein erneuertes Schlachthaus für die Reste der revolutionären Linken und ein Paradies zur Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse

Unter diesen Umständen nährt sich Nationalismus – ob islamisch oder säkular – von Angst und Wut der Bevölkerung. Die „Verteidigung des Heimatlandes“ ersetzt den Klassenkampf. Fahnen, Identitäten und Armeen verdrängen Räte, Streiks und Kommunen. Hierbei neutralisiert der Krieg das Klassenbewusstsein und beschleunigt die Vereinnahmung durch reaktionäre Projekte. Krieg ist schonungslos; er nützt einer Klasse – und zerstört eine andere. In diesem Fall zerstört er die Arbeiter*innenklasse und ihre Unterstützer*innen, da ihnen derzeit sowohl die Organisation auch ein sichtbarer Horizont fehlen.

Gleichzeitig erleben wir das Erstarken rechter, regime-change-orientierter Tendenzen, die israelische Angriffe unter dem Deckmantel von „Freiheit und Fortschritt“ bejubeln. Sie wollen die Islamische Republik nicht stürzen, um demokratische Freiheiten einzuführen – einschließlich direkter wirtschaftlicher Interventionen zugunsten der Arbeiter*innenmehrheit -, sondern um brutalere Marktpolitiken, ausländische Investitionen auf Kosten der Arbeiterklasse und eine neue neoliberale Ordnung, Versklavung der Arbeit zu sichern und jegliche Opposition gegen ein solches Regime weitgehend zu unterdrücken. Ihre Projekte sind nicht revolutionär, sondern konterrevolutionär. Jedes „Befreiungsprojekt“ ohne den Kampf um echte Gleichheit führt zur Verewigung der Versklavung in aktualisierten Formen.

In der Zwischenzeit versuchen sich manche mit Slogans wie „Nein zur Islamischen Republik, nein zu Israel“ als progressiv zu positionieren. Doch ist diese Haltung praktisch ahistorisch und nicht strategisch. In der gegenwärtigen Krise ist diese Position höchst mehrdeutig, analytisch schwach und letztlich wirkungslos. Sie ist keine politische Mitte, sondern Blockfreiheit, ein Rückzug aus der notwendigen Klassenpositionierung gegen beide Pole der Reaktion. Es muss klar heißen: „Nein zum reaktionären Krieg”, aber “Ja zum Widerstand der Unterdrückten in der radikalsten Form!“ / „Nein zur imperialistischen Besatzung!”, aber “Ja zum revolutionären Sturz der Islamischen Republik!”. Allerdings existiert aktuell kein revolutionäres Projekt.

Der Slogan „Nein zur Islamischen Republik, nein zu Israel” steht in der schwächsten Phase der revolutionären Linken und der Arbeiter*innenklasse lediglich abseits und hofft, die künftige Geschichte werde die Weigerung würdigen, sich entweder mit der Regimeverteidigung oder mit dem zionistisch-imperialistischen Lager zu identifizieren.

Um es weiter zu verdeutlichen müssen wir betonen, dass es im “Nahen Osten” stets um das “Regional” ging – eine Tatsache, die viele von uns seit dem Ende des Iran-Irak-Kriegs verkannt haben. Die Niederlage des sogenannten “Arabischen Frühlings” und seine Unfähigkeit, die kapitalistische Ordnung grundlegend zu verändern, war auch unsere Niederlage und die Niederlage unserer Revolution markierte den Beginn des imperialistischen Sieges im Nahen Osten. Revolutionäre Kräfte scheiterten daran, sich zu vereinen, und wurden massakriert; neoliberale Projekte dehnten sich unter Strukturanpassungsprogrammen aus; Klassenorganisationen wurden zerschlagen, Arbeiter*innen verarmen, und die Region wurde zu einem Schlachtfeld für Regionalmächte und ihre Stellvertretenden.

Imperialismus – sei es durch direkte militärische Präsenz oder durch Anreizpakete und Privatisierung durch Weltbank, IWF und WTO – drängte den Klassenkampf erst in die Defensive und dann in den Sumpf rassistischer Machtkämpfe und in das Jubeln über rechte Opposition. Revolutionärer Kommunismus wurde bestenfalls zu einer radikal klingenden kulturellen Linken ohne soziale Basis degradiert, während die revolutionäre Tradition im öffentlichen Gedächtnis als „Unruhestifter*innen von 1979″ stigmatisiert wurde. Diejenigen, die Neoliberalismus lediglich als Ergebnis einer Fraktionsverschwörung innerhalb des Regimes sahen oder glaubten, die Führung sei von ignoranten Berater*innen in die Irre geleitet worden, hielten das imperialistische Projekt einer schrittweisen Eroberung des Nahen Ostens für einen Witz. Indem die revolutionäre Linke als in den 1970er Jahren festgefahren diskreditierte und ihre Hoffnungen in eine „gerechtigkeitsorientierte“ Strömung innerhalb des Regimes setzten, führten sie eine revolutionäre Energie nach der anderen an die Wahlurnen und streuten damit Sand in die Augen des revolutionären Kampfes.

Trotz der Repression des Regimes tragen wir alle Mitverantwortung: dafür, dass wir uns nicht organisiert haben, dass wir zu spät mit dem Aufbau revolutionärer Strukturen begonnen haben, dass wir die Arbeiter*innenklasse nicht organisiert und den Kampf um die Hegemonie des sozialistischen Diskurses verloren haben. Sollte das Regime stürzen, wird vermutlich nicht Reza Pahlavi an die Macht kommen, sondern eine unbekannte Figur á la Hamid Karzai, installiert von außen unter dem Deckmantel einer „Übergangsregierung“ oder “Übergangszeit”, sodass die Überreste der revolutionären Front im Zustand von Staatenlosigkeit und Chaos keine wirksame Schritte gegen die rechte Reaktion unternehmen können.

Seit Dezember 2017 haben wir eine Gelegenheit nach der anderen zur revolutionären Vorbereitung vertan. Wir zogen die unorganisierte Begeisterung, auf die Straße zu gehen, der mühsamen Arbeit vor, Organisationen für die Zeit nach spontanen Aufständen aufzubauen. Und schließlich warfen wir im Namen der Verteidigung der „Revolution aller unterdrückten Identitäten“ Steine ​​auf den Klassendiskurs sowie auf eine disziplinierte, strategische und notwendigerweise nicht-horizontale Organisation, während die Sorge um „Demokratie“ und „Transparenz“ Vorrang vor dem eigentlichen bekam.

Als alle “Was-man-nicht-tun-sollte” abgearbeitet waren, ertönte plötzlich eine neue Stimme: “Vielleicht wäre ein Regimewechsel doch nicht so schlimm – wenn die Repression weg ist, organisieren wir uns am nächsten Tag!“ Ja, das Regime könnte stürzen, aber es wird mit seinem vollen Gewicht auf uns stürzen. Und während die Stiefel des Imperialismus über den Kadaver des Regimes marschieren, werden wir tiefer und tiefer im Boden versinken.

Denn nach dem Zusammenbruch des Regimes unter dem imperialistischen Angriff wird das Hauptziel der Repressionen genau jene neue Kraft sein, die den Kampf im Sinne der Ideale der Revolution von 1979 – also Freiheit und Gleichheit – fortsetzen will. Dies schließt die verfallenden Überreste des Regimes nicht ein, die sich neu erfinden und in Netanjahus „Neuen Nahen Osten “ integriert werden.

China und Russland, die manche als ökonomische und militärische Arme eines antiimperialistischen Blocks ansehen, beobachten diesen Regimewechsel stillschweigend und verhandeln ihren künftigen Anteil am neuen Kuchen des Nahen Ostens. Schon im Mai 2011 erklärte das Institute of International Finance – eine Lobbyorganisation der größten Finanzinstitute – : „Zwar ist es von entscheidender Bedeutung, sich mit den unmittelbaren Problemen der Sicherheit und des politischen Wiederaufbaus zu befassen, doch ist es ebenso zwingend erforderlich, dass diejenigen, die für den politischen Übergang verantwortlich sind, auch der Vertiefung und Beschleunigung struktureller Wirtschaftsreformen Priorität einräumen. Regierungen sollten sowohl während als auch nach der Übergangsphase einen glaubwürdigen, mittelfristigen Rahmen für Reform und Stabilisierung verfolgen … und ein rechtliches sowie institutionelles Umfeld schaffen, das Unternehmertum, Investitionen und marktorientiertes Wachstum unterstützt.”

Anfang 2011 kündigte die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung an, erstmals in den Nahen Osten zu gehen. Die Bank war 1991 gegründet worden, um Osteuropa mit umfassender Privatisierung in den Kapitalismus zu überführen und hatten bis dahin nie außerhalb Europas gearbeitet. Das ist die etablierte „Weltordnung“ – und dies ist die „goldene Gelegenheit“, die einige zu witterten!

Wer 2018 bei den Streiks von Haft Tappeh und Ahvaz Steel die revolutionäre Linke für den Slogan „Brot, Arbeit, Freiheit / Räteverwaltung“ kritisierte, ihn als „unmittelbare Politisierung von Gewerkschaftsprotesten“ oder als „Illusion von Arbeiter*innenkontrolle“ abtat und stattdessen auf „Demokratisierung“ setzte, damit die Linke öffentlich als „demokratisch“ gilt, darf nun die Früchte ernten. Das ist die „Demokratie“ hinter verschlossenen Türen, auf die sie gewartet haben.

Daher müssen wir uns ohne Zögern der militärischen Aggression widersetzen, den Namen des Aggressors lautstark verkünden und diese Haltung zweifellos mit der palästinensischen Befreiung verknüpfen (denn wie bereits erwähnt war das Problem im “Nahen Osten” schon immer ein “regionales”). Die Seite, die selbst gegen das Völkerrecht verletzt hat und politische, militärische sowie sicherheitspolitische Unterstützung des Westens erhält, ist Israel – der derselbe Grenzposten des imperialistischen Westens, derselbe koloniale Krebstumor. Die Durchsetzung israelischer Vorherrschaft über Iran würde vor allem die Möglichkeit proletarischer Kämpfe der Arbeiter*innenklasse Irans und der Region zerstören. Dies bedeutet nicht, dass solche Kämpfe unter der Islamischen Republik jemals einfach gewesen wären; unsere Betonung des Klassenkampfes, den dieses Regime von Anfang an gegen die Arbeiter*innenklasse geführt hat, ist selbst eine Bestätigung dafür, wie schwierig dieser Kampf bis heute ist. Wir glauben jedoch, dass diese Problematik in ihrer schwerwiegendsten Form Möglichkeiten in sich barg, die den Weg für die Umwandlung dieses Widerstands in einen bewussten Klassenkampf gegen die Islamische Republik hätten ebnen können. Die Tatsache, dass ein solcher Kampf bisher nicht in wirksamer Form Gestalt annehmen konnte, ist nicht nur das Ergebnis der Härte der Repressionen des Regimes und der historischen Niederlage der früheren revolutionären linken Organisationen im Iran, sondern auch das Produkt jahrzehntelanger imperialistischer Interventionen, die mit der Komplizenschaft der herrschenden Klasse Irans ermöglicht wurden.

Diese Interventionen treten nun in brutalster, direktester militärischer Form zutage, diesmal ohne die inneren Widersprüche der Islamischen Republik. Daher ist Israels militärische Aggression gegen den Iran nicht nur ein Angriff auf ein politisches Regime, sondern ein Angriff auf eine Zukunft, die nur durch Klassenkampf gegen eben dieses Regime erreicht werden konnte.

Entscheidend ist also die Qualität des Widerstands gegen die Aggression. An diesem Punkt kann man sich, bewaffnet mit verschiedenen theoretischen und emotionalen Rechtfertigungen, dazu entschließen, Schulter an Schulter mit der Islamischen Republik zu stehen und sogar Gedichte über einen „Großen Vaterländischen Krieg“ und ähnliche Narrative zu verfassen, doch das wirkliche Problem bleibt die Zukunftsvision. Unabhängig davon, wie dieser Krieg ausgeht, kann nur eine Kraft den Kampf weiterführen, die die theoretischen und praktischen Grundlagen der Organisation im Kern dieser Situation geschaffen oder aufrechterhalten hat. Diese Grundlagen sind nichts anderes als das Verständnis, dass der Widerstand gegen die israelische Aggression nicht aus patriotischen oder völkerrechtlichen Gründen erfolgen darf, sondern aus einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Hölle, die eine solche Aggression im Falle einer „Eroberung“ über das Proletariat bringen würde. Und genau aus dieser Perspektive kann man der Islamischen Republik nicht zur Seite stehen. Denn sollte die Islamische Republik diesen Krieg überleben, wird sie daraus noch repressiver, gewalttätiger und entschlossener bei der Durchsetzung ihrer Klassenpolitik hervorgehen.

Eine Macht, die heute in ihrem Kampf gegen die israelische Aggression alles, was mit der Islamischen Republik zu tun hat, in Anführungszeichen setzt, wird nach dem Ende des Krieges weder gegen die Islamische Republik noch gegen Israel oder gegen irgendeine andere Macht kämpfen können, die im Namen Israels oder in geheimer Absprache mit ihm an die Macht kommt. Denn wenn es heute gelingt, die Klassenlinie unter dem Vorwand des Krieges beiseite zu legen, wird man dies mit Sicherheit auch morgen unter einem Dutzend anderer Vorwände tun können. So wie wir es heute sehen, wenn einige Kräfte, die sich auf linke und antiimperialistische Traditionen berufen, genau das unter dem Slogan „Priorität für den Sturz der Islamischen Republik“ tun. Wenn es also heißt: „Man muss sich ohne Zögern gegen militärische Aggression erheben und den Angreifer benennen“, ist klar, dass diese Position gegen den Krieg nur dann Sinn macht, wenn sie aus sich selbst heraus eine Möglichkeit zum Handeln schafft, um zu bestimmen, „was getan werden muss“, und zwar schon jetzt. Die Tatsache, dass wir heute über keinerlei wirksame materielle Kraft verfügen, sei es für den revolutionären Sturz der Islamischen Republik oder für die Eindämmung der imperialistischen Kriegsmaschinerie Israels, bedeutet nicht, dass wir passiv bleiben oder die Notwendigkeit einer Intervention leugnen. Im Gegenteil: Das Anerkennen dieser Verzweiflung ist, wenn es aus einer revolutionären Position heraus geschieht, selbst eine Form des Handelns. Jede analytische Anstrengung, jede unabhängige Haltung und jeder Versuch, eine klare, entschiedene Linie zwischen den beiden Polen dieser konterrevolutionären Dichotomie zu ziehen, ist wichtig, gerade weil sie alle mit dem Horizont der Organisation der Arbeiter*innenklasse verbunden sind, selbst wenn dieser Horizont weit entfernt erscheint. Sich inmitten der Verzweiflung zu organisieren bedeutet, Möglichkeiten zu schaffen, so schwach und verstreut sie heute auch sein mögen, die, wenn sie nicht verneint werden, eines Tages als Grundlage für echten Widerstand dienen könnten. Daher ist das Eingestehen von Verzweiflung nur dann revolutionär, wenn es nicht bedeutet, sich damit abzufinden, sondern stattdessen einen materiellen und fundierten Weg zu suchen, sie zu überwinden. Andererseits bedeutet diese Position keineswegs Gleichgültigkeit gegenüber militärischer Besatzung oder direkter imperialistischer Aggression. Sollten eines Tages israelische oder amerikanische Soldaten auf den Straßen iranischer Städte erscheinen, wird die revolutionäre Antwort weder Schweigen noch Kapitulation sein, sondern eine unabhängige Verteidigung von unten, in der Sprache und Logik der Arbeiter*innenklasse selbst. In diesem kritischen Moment muss der Klassenkampf in all seinen verstreuten Zellen mit dem antiimperialistischen Kampf verknüpft werden, eine Verbindung, die in der politischen Landschaft des Iran seit mindestens drei Jahrzehnten tragischerweise fehlt. So wie der Imperialismus lange vor jeder militärischen Besetzung seine Projekte als kapitalistischer Staat über mehr als vier Jahrzehnte hinweg mit der relativen Komplizenschaft der Islamischen Republik vorangetrieben hat, so wird er auch nach der Sicherung der militärischen und politischen Vorherrschaft die Klassenbeziehungen in noch verschärfter Form reproduzieren. Im konkreten Fall Irans wird diese Reproduktion zur Notwendigkeit, getrieben von der Notwendigkeit, die strukturellen Widersprüche zwischen den politischen Systemen der Islamischen Republik und Israels zu lösen. Dies könnte zum Aufstieg einer neuen Hegemonie führen, die jedoch weiterhin der gleichen Klassenlogik folgt.

Ein Aufstieg zu einer neuen Hegemonie, die jedoch weiterhin der gleichen Klassenlogik folgt. Und genau das ist das Problem: Eine Hegemonie, die zunächst durch nackte Herrschaft inmitten des Blutvergießens des aktuellen Krieges entstehen könnte, um sich später zu einer stabilen hegemonialen Ordnung zu verfestigen, die die iranische Arbeiter*innenklasse um Jahrzehnte zurückwerfen könnte. Die unvermeidliche und realistische Betonung des Zukunftshorizonts in diesem Text bedeutet daher keineswegs eine Missachtung der katastrophalen Situation, in der wir uns befinden. Im Gegenteil, wir glauben, dass es keinen Ausweg aus dieser Katastrophe gibt, ohne die heutige politische Verwirrung und die Unfähigkeit, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu unterscheiden, zu überwinden. Gleichzeitig müssen wir aus dem lernen, was wir hinter uns gelassen haben: aus den Versäumnissen der Vergangenheit bei der Organisation, aus der Entfernung radikaler Kräfte vom Kampffeld und aus der Kapitulation vor der Dualität der Macht.

Zeitgleich müssen wir eine Perspektive eröffnen, die die Gegenwart nicht als statischen Moment oder Sackgasse betrachtet, sondern als einen Moment voller Potenzial für die Entstehung alternativer Möglichkeiten, selbst inmitten des Schreckens. Die Aufrechterhaltung, Stärkung oder der Wiederaufbau dieser unabhängigen, kommunistischen und antiimperialistischen Linie, wie begrenzt sie auch sein mag, ist nicht nur eine Voraussetzung für heutiges Handeln, sondern auch für die Möglichkeit jeglichen zukünftigen Kampfes.

  1. Juni 2025

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